Der Mensch ist ein zugleich leibliches und geistiges Wesen. Der in Sünde gefallene Mensch ist allerdings vom Tode gezeichnet. Sein Dasein steht unter dem Urteil: „Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück“ (1Mo 3,19). Dieses Urteil realisiert sich im leiblichen Tod. Doch ist der Tod keine Macht, die das von Gott ins Dasein Gerufene ins Nichts stürzen könnte.
Auch im Tod bleibt die grundsätzliche Beziehung zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf, erhalten. Die Personalität des Menschen bleibt durch den Gottesbezug auch nach dem leiblichen Tod erhalten und so kann man von einer „unsterblichen Seele“ sprechen. Allerdings darf „Unsterblichkeit der Seele“ nicht mit dem biblischen Begriff „ewiges Leben“ gleichgesetzt werden. Das „ewige Leben“ bezeichnet die ewige Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott. Ewiges Leben wird erst nach der Auferstehung der Toten und der Verwandlung der Lebenden erlangt.
Der Tod des Menschen und das Weiterleben der Seele
Vom „Tod“ wird in der Heiligen Schrift in mehreren Bedeutungen gesprochen:
- Zunächst bezeichnet der Begriff den leiblichen Tod des Menschen, das Ende seiner irdischen Existenz. Der Tod ist eingetreten, wenn die Leben erhaltenden Funktionen des Organismus erloschen sind und Seele und Geist den Leib verlassen haben.
- Mit dem Begriff „geistlicher Tod“ ist die Trennung des Menschen von Gott gemeint, die in der Sündhaftigkeit begründet liegt (Röm 6,23).
In der Heiligen Schrift ist zudem vom „zweiten“ Tod die Rede (Offb 20,6; 21,8). Darunter wird die ewig währende Trennung von Gott verstanden, die nach dem Endgericht für die Verurteilten wirksam wird.
Schließlich spricht die Heilige Schrift vom Tod als von einer gottwidrigen Macht, die sowohl leibliches als auch geistliches Leben bedroht und zerstören will. Zuweilen wird diese Macht personal dargestellt (Offb 6,8; 20,14).
Jesus Christus hat den Tod besiegt und dem Menschen den Zugang zu Gott und zum ewigen Leben ermöglicht (2Tim 1,9.10). Am Ende wird dem Tod alle Macht genommen (1Kor 15,26; Offb 20,14).
Der Bericht über das Geschehen auf dem Berg der Verklärung zeigt unter anderem, dass der Mensch nach dem leiblichen Tod seine Personalität behält: Dort erscheinen Mose und Elia aus dem Jenseits. Von daher sind Vorstellungen wie „Seelenschlaf“ oder Reinkarnation (wiederholte Erdenleben), abwegig und widersprechen dem Zeugnis der Heiligen Schrift (Hebr 9,27).
Jenseitsvorstellungen in der Bibel
Der Begriff „Jenseits“ bezieht sich im Allgemeinen auf alle Bereiche, Vorgänge und Zustände, die außerhalb der materiellen Welt liegen. Im engeren Sinn ist damit das Totenreich (hebräisch: „Scheol“, griechisch: „Hades“) gemeint, und in dieser Bedeutung wird der Begriff im Folgenden verwendet. So ist das Jenseits mit den Toten für Menschen grundsätzlich unsichtbar. Allerdings können sich Verstorbene in Einzelfällen zeigen. Totenbefragung hat Gott untersagt (5Mo 18,10.11; 1Sam 28).
Im Alten Testament dachte man sich das Totenreich vorwiegend als einen finsteren Ort (Hiob 10,21.22) und meinte, die Toten befänden sich dort in einem freudlosen Zustand (Ps 88,11-13). Doch klingt auch die Hoffnung auf Erlösung aus der Finsternis an (Ps 49,16). Gegen Ende der alttestamentlichen Zeit entwickelte sich die Erkenntnis, dass es im Jenseits neben dem finsteren Ort eine Stätte des Ausruhens und der Bewahrung gebe.
Im Neuen Testament wird u.a. im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19-31) Folgendes über die jenseitige Welt deutlich gemacht:
- Im Totenreich gibt es einen Ort der Geborgenheit („Abrahams Schoß“) und einen Ort der Qual.
- Den Verstorbenen kann ihr Zustand bewusst werden.
Der Zustand der Seelen im Jenseits
Der Zustand der Seelen in der jenseitigen Welt ist unmittelbarer Ausdruck ihrer Gottnähe oder Gottferne. Durch den leiblichen Tod hat der Zustand der Seele keine Veränderung erfahren. Aus diesem Grund befinden sich die Seelen im Jenseits in sehr unterschiedlichen Zuständen. Beispielsweise prägen Glaube oder Unglaube, Versöhnlichkeit oder Unversöhnlichkeit, Liebe oder Hass den Menschen nicht nur in dieser, sondern auch in jener Welt (1Petr 3,19.20).
In der Heiligen Schrift ist von einer besonderen Gruppe im Jenseits zu lesen: von den Toten, die in Christus gestorben sind (1Thess 4,16). Das sind Seelen, die aus Wasser und Geist wiedergeboren wurden und Christus nachgefolgt sind. Für diese Seelen war die Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi zentrales Element ihres irdischen Lebens und das Sehnen nach diesem Augenblick erfüllt sie auch im Jenseits. Sie sind und bleiben dem Herrn zugewandt, erleben Geborgenheit und Frieden.
Die in Christus Entschlafenen haben Zugang zu Gottes Wort und dem Heiligen Abendmahl.
Seelen im Jenseits, die nie vom Evangelium gehört haben, befinden sich in einem Zustand der Gottferne.
Dieser kann nur durch den Glauben an Jesus Christus, die Annahme seines Verdienstes und den Empfang der Sakramente überwunden werden.
Hilfe für Entschlafene
Schon aus der Zeit des Alten Bundes ist der Glaube bezeugt, dass man Toten Wohltaten erweisen könne (2Makk 12). Diesem Beispiel folgend, treten neuapostolische Christen in Fürbitte für Entschlafene ein. Durch das Opfer Christi kann der Zustand der unsterblichen Seelen im Jenseits zum Guten hin verändert werden. Heil kann also auch noch nach dem leiblichen Tod erlangt werden.
In 1. Petrus 3,18-20 ist zu lesen, dass die durch die Sintflut Umgekommenen von Jesus Christus besondere Zuwendung erfahren haben, indem er ihnen nach seinem Opfertod im Totenreich das Evangelium verkündete. Dass die Entschlafenen zum „Leben im Geist“ der Verkündigung des Evangeliums bedürfen, sagt auch 1. Petrus 4,6: „Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise leben im Geist.“ Jesus Christus ist Herr über Tote und Lebende (Röm 14,9). Es liegt im Willen Gottes, dass allen Menschen geholfen wird (1Tim 2,4-6; Joh 3,16). Zuwendung von Heil geschieht durch die Predigt, die Sakramente und die Vergebung der Sünden. Dies alles ist auch den Entschlafenen zugedacht. Für sie gilt wie für die Lebenden, dass der Glaube an Jesus Christus unerlässlich zur Erlangung des Heils ist.
Den Auftrag Jesu, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu spenden, erfüllen die Apostel an Lebenden wie an Toten. Da Jesus Christus sein Opfer auf Erden brachte, geschieht Heilsvermittlung durch die Apostel auf Erden für Lebende und Tote. Dazu hat der Sohn Gottes, der die Schlüssel der Hölle und des Todes innehat, den Zugang eröffnet (Offb 1,18). Die Spendung der Heiligen Wassertaufe, der Heiligen Versiegelung und des Heiligen Abendmahls an Entschlafene geschieht, indem die Sakramente stellvertretend für sie empfangen werden. Sie sind damit den in Christus Gestorbenen (1 Thess 4,16) gleichgestellt. Toten und Lebenden gilt also gleichermaßen der Heilswille Gottes.
25. Oktober 2020
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Entnommen aus der Zeitschrift „Unsere Familie“, Ausgabe 18/2020, S. 24. © Verlag Friedrich Bischoff GmbH, Neu-Isenburg
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